Beratung - Folgen des Energiedefizits
Fütterungsprobleme spielen bei der Entstehung von Eierstockzysten die Hauptrolle.
Matthias Risch, wissenschaftlicher Mitarbeiter
Eierstockzysten gehören zu den häufigsten reproduktiven Störungen bei Milchkühen und sind ein bedeutendes Problem in der Milchproduktion. Durch Zystenerkrankungen verlängert sich häufig die Serviceperiode, was nicht selten mit einer vorzeitigen Schlachtung der betroffenen Tiere einhergeht, da diese nicht mehr aufnehmen. Verschiedene Quellen schätzen, dass sich die Kosten einer Trächtigkeit durch eine Zyste deshalb bis um das Dreifache erhöhen. Hinzu kommt nebst den bereits genannten produktionsbedingten Mehrkosten auch noch der Mehraufwand durch entsprechende Therapien. Handelt es sich bei den Zystenerkrankungen also um ein Bestandsproblem, so können rasch enorme Mehrkosten auf Betriebsebene anfallen.
Das Bläschen wächst
Zysten auf dem Eierstock entstehen durch Störungen des hormonellen Gleichgewichts, welches das Follikelwachstum und den Eisprung reguliert. Normalerweise durchläuft ein Follikel auf dem Eierstock verschiedene Entwicklungsstadien, bis es zum Eisprung kommt. Dabei reift während der Brunst ein dominantes Eibläschen heran, welches schliesslich unter dem Einfluss des luteinisierenden Hormons (LH) aufreisst. Wenn jedoch der LH-Anstieg und die impulsive Freisetzung ausbleiben, weil entweder kein oder nur wenig LH in der Hirnanhangsdrüse gebildet wurde, so reisst dieses Bläschen nicht – der Eisprung bleibt aus. Der Follikel wächst aufgrund des gestörten Hormonhaushaltes jedoch weiter zu einer Zyste und obwohl die Eizelle im Inneren abstirbt, werden weiterhin Hormone produziert.
Zyste ist nicht gleich Zyste
Je nachdem wie viel LH sich noch im System befindet, unterscheiden sich die daraus entstehenden Zystenarten sowohl in ihrem Aufbau und in der Hormonbildung als auch in den Symptomen, welche das Tier zeigt. Bei Abwesenheit von LH beispielsweise wächst der Follikel unermüdlich weiter. Es entstehen die am häufigsten vorkommenden Zysten: Die dünnwandigen «Follikelzysten». Diese produzieren oft Östrogen (Brunsthormon) und versetzen die betroffenen Kühe in Dauerbrunst. Die Dauerbrunst unterscheidet sich erst nicht von einer normalen Brunst, kann jedoch nach einiger Zeit durch eingefallene Beckenbänder, Hohlschwanzbildung und im Extremfall durch einen Scheidenvorfall in Erscheinung treten. Auch das Gegenteil kann übrigens vorkommen: Follikelzysten sind in der Lage, den Zyklus der Kuh unauffällig zu blockieren und die Kuh ruhigzustellen. Das ist ebenso der Fall, wenn sich aufgrund niedriger LH-Konzentrationen dickwandigere, Gelbkörpergewebe enthaltende Zysten, «(teil)luteinisierte Thekazysten», bilden. Sie stoppen durch das von ihnen produzierte Progesteron (Gelbkörperhormon) ebenfalls unbemerkt den Zyklus. Mischformen der beiden genannten Zystenarten sind ebenfalls möglich und können sehr verschiedene Symptome hervorrufen.
Eindeutig im Ultraschall
Diese Umstände erschweren das Entdecken von Zysten und sind gleichzeitig der Grund, weshalb es ratsam ist, jede Brunst der Tiere als Anhaltspunkt zu dokumentieren. Letztendlich können Zysten aber nur durch tierärztliche Untersuchung der Eierstöcke eindeutig diagnostiziert werden. Mithilfe von Ultraschall werden die Grösse, die Wanddicke und der Flüssigkeitsinhalt der Gebilde beurteilt. Geschieht dies frühzeitig, so sind die Chancen auf Heilung grösser, die wirtschaftlichen Folgen geringer.
Nur noch ein Drittel
Auch wenn das Vorkommen von Zysten den beschriebenen hormonellen Unstimmigkeiten rund um das LH zugeschrieben werden kann, so liegt die tatsächliche Ursache tiefer: Nämlich in der Energieversorgung des Tieres. Negative Energiebilanzen und die daraus folgenden Ketosen sind die häufigsten Gründe für Zystenerkrankungen. Denn Kühe, welche sich in einem Energiedefizit befinden, bilden nur noch etwa 1/3 des eigentlich benötigten LH. Diese Menge reicht bei Weitem nicht aus, um einen normalen Eisprung auszulösen, und so wächst das Brunstbläschen, je nach Restmenge des noch gebildeten LH, zu einer Follikel- oder Thekazyste heran. Wie schnell eine Kuh auf einen entgleisten Stoffwechsel mit Zysten reagiert, ist übrigens sehr verschieden. Die neusten wissenschaftlichen Studien befassen sich derzeit damit, das Phänomen der genetischen Veranlagung für Zysten zu untersuchen. Fakt ist: Es gibt Kuhfamilien, in denen Zysten gehäuft vorkommen. Ebenso sind hochleistende Tiere anfälliger, da diese noch mehr Energie benötigen, und auch Stress und die Haltungsbedingungen tragen zu derer Entstehung bei.
Keine Ketose, keine Zyste
Die Zyste fungiert bei Tieren, welche eine negative Energiebilanz aufweisen, also gewissermassen als Schutzmechanismus, um eine erneute Trächtigkeit zu verhindern. Die Kuh im Energiemanko wäre schlicht mit einer neuen Trächtigkeit überfordert, weshalb der Körper eine hormonell gesteuerte Zyklusblockade hervorbringt, was unter anderem die Bildung von Zysten zur Folge hat. Zur Zystenprophylaxe ist es daher ratsam, vor und nach dem Abkalben Energiemängel und die daraus entstehenden Ketosen zu vermeiden, diese frühzeitig zu erkennen und dann schnell einzugreifen. Gerade Kühe, welche verfettet in die Laktation starten, sind anfälliger für Ketosen. Sie fressen weniger und mobilisieren schneller Körperfett.
Verfettung vermeiden
Die Vorsorge beginnt deshalb bereits am besten in der vorausgehenden Laktation mit einer dem Energiebedarf angepassten Futterration, um eine Verfettung zu vermeiden. Sie geht weiter mit der Galtfütterung in zwei Phasen, welche die Kuh auf die kräftezehrende Geburt und die Laktation vorbereitet und den Futterverzehr hochhält. Durch die Gabe von qualitativ hochwertigem Grundfutter und dem langsamen Hochfahren der Kraftfuttermenge zu Ende der Trächtigkeit sind die Pansenmikroben besser auf die energiereiche Fütterung zu Laktationsbeginn vorbereitet. Das vermeidet Pansenübersäuerungen und hält den Futterverzehr hoch. Abhilfe schaffen hier auch Ergänzungsfuttermittel mit Malzextrakt und Glyzerin (z.B. Appetizer Plus®). Diese werden einfach in die bestehenden Futtermischungen eingearbeitet, haben eine hohe Lockwirkung und werden von den Tieren gerne gefressen, was wiederum den Verzehr anregt und die Futteraufnahme erhöht. Weiter besteht die Möglichkeit, dem Energiehaushalt mit Boli (bspw. Ketotop®) zu helfen. Diese enthalten Niacin und Propionat als Energiequelle sowie verschiedene Stoffe, welche die Leberfunktion unterstützen. Sie mindern so das Risiko von Ketosen, speziell bei verfetteten Tieren.
Prophylaxe bei Risikotieren
Bei der Prävention von Ketosen helfen rund um das Abkalben auch Futtermittel mit Propylenglykol oder Natriumpropionat wie beispielsweise ProLac 40®. Die Wirkung dieser Stoffe besteht darin, die Fettverbrennung und den Glukoseaufbau in der Leber zu unterstützen. Der Zucker aufbauende und somit der Ketose entgegenwirkende Effekt dieser Stoffe hilft schnell und ist gut erprobt. Bei bekannten Risikotieren (verfetteten Kühen oder solchen, die in den vorangegangenen Laktationen bereits an einer Ketose erkrankt waren) können sie sogar prophylaktisch gebraucht werden. Allerdings gilt es auch die Nebenwirkungen zu erwähnen: Beide Stoffe haben längerfristig einen bremsenden Effekt auf die Futteraufnahme und belasten die Leber. Deshalb wird ihre konstante Anwendung über längere Zeit nicht empfohlen. Stattdessen sollten Kühe rund um die Uhr freien Zugang zu qualitativ hochwertigem Futter haben, um ihren enormen Energiebedarf zu Laktationsbeginn ausreichend zu decken.
Fazit
Zusammengefasst: Aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung von Zysten ist eine frühzeitige Diagnose zwingend nötig, um die Fruchtbarkeit der betroffenen Kühe wiederherzustellen. Weitaus sinnvoller ist jedoch, durch eine optimale und angepasste Fütterung, Energiemängel und die daraus folgenden hormonellen Entgleisungen gar nicht erst zu provozieren. Der Hauptansatz liegt dabei in der Optimierung der Energieversorgung vor und nach dem Abkalben, der Verbesserung der Futterqualität während der Galt- und Startphase, der bedarfsgerechten Versorgung mit Mineralstoffen und Vitaminen oder dem Einsatz von passenden Ergänzungsfuttermitteln.
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