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Mit Hightech einfrieren
Service|19.09.2024

Mit Hightech einfrieren

Andreas Ricciardi ist im Team Samenfertigung in der Qualitätssicherung, aber auch in Routinearbeiten wie dem Einfrieren der Samendosen involviert.

Jutta Berger, wissenschaftliche Mitarbeiterin

Freitagmorgen, 8 Uhr, auf der Produktionsstation in Mülligen. In einem grossen Raum im Hygienebereich des Samenlabors dampft und nebelt flüssiger Stickstoff. Andreas Ricciardi befüllt damit gerade ein rundes Gefäss, in dem zahlreiche leere Metallröhren stecken und das auf einem Rollwagen steht. «Ich bereite alles zum Einfrieren der Samendosen vor, die wir gestern produziert haben,» erklärt der Zellbiologe aus dem Team Samenfertigung, «diese werden zuerst über Nacht im Kühlraum gelagert, damit sich die Spermien an die Verdünnermedien in den Samendosen gewöhnen und sich mit diesem Frostschutzmittel vollsaugen können. Am nächsten Morgen frieren wir sie dann ein.» Montags bis donnerstags werden in Mülligen Stiere abgesamt und Samendosen befüllt, dienstags bis freitags werden diese dann tiefgefroren und anschliessend einer Qualitätskontrolle zugeführt.

Als Erstes bereitet Andreas ein Metallgefäss vor, in das später die gefrorenen Dosen umgesetzt werden.
Bild: jbg

Vor Erfrierungen geschützt

Andreas hat die Haare zum Pferdeschwanz gebunden und trägt eine Schutzbrille, eine wattierte Thermohose und dicke, schwarze Lederhandschuhe. «Ich habe Megarespekt vor flüssigem Stickstoff», sagt er lachend über seine Arbeitskleidung, «der ist nämlich –196° C kalt und macht fiese Erfrierungen. Ich gehe in meiner Freizeit gerne Klettern und brauche meine Finger und Zehen noch.»

Viel weniger Ausfälle

Er schliesst den zischenden Hahn des Stickstofftanks und schiebt das befüllte Gefäss neben ein abwechselnd rot und blau blinkendes Gerät. Das sieht aus wie eine Gefriertruhe, in Hightech-Variante – und das ist es auch. «Das ist unsere neue Einfriermaschine», erklärt Andreas, «wir haben sie seit April im Einsatz. Sie wird mit Stickstoff befüllt und reguliert über eine hochsensible Temperatursonde den Einfrierprozess. Dieser läuft über ein computergestütztes System. Der Temperaturverlauf folgt dabei akkurat einer vorgegebenen Kurve, bis die Spermien auf –140° C abgekühlt sind. Seit wir diese neue Digitcool-Maschine benutzen, haben wir deutlich weniger Ausfälle bei den abschliessenden Qualitätskontrollen. Sie schont die Spermien beim Einfrieren eindeutig mehr. Dadurch werden viel weniger Samendosen geschädigt und unsere Produktion effizienter. Wir haben ausgewertet, dass wir seit der Umstellung auf die neue Maschine rund 3,5% Dosen weniger aussondern mussten als vorher. Das klingt nicht nach viel – aber bei unserer Produktionsmenge sind das rund 66’000 Samenröhrchen, die nicht im Müll gelandet sind.»

Sorgfältiges Arbeiten

Als das Gerät meldet, dass mittlerweile 4° C. in seinem Inneren herrschen, stapelt Andreas bereitstehende «Racks» hinein. Auf diesen Metallrahmen wurden die Samendosen sorgfältig parallel nebeneinander eingelegt und in den Kühlraum nebenan gestellt. Andreas sagt: «Mit diesen Racks muss man sehr vorsichtig umgehen, damit nichts verrutscht.» Er schliesst den Deckel des «Digitcools», worauf die Maschine wieder blinkt. Einige Minuten später meldet sie über ihr Display, dass die Samendosen nun die vorgesehene Temperatur erreicht haben.

Spezialwerkzeug

Der Zellbiologe greift jetzt nach einem Gerät aus Kunststoff. Es ist eine schwarze Röhre, die an einer Seite geöffnet und mit einem Kläppchen verschlossen ist. Mit dieser nimmt er die bunten, gefrorenen Samenpailletten aus dem Rahmen auf und lässt sie über einen grossen Trichter in eine Metallröhre gleiten, die er zuvor seitlich in die Einfriermaschine gestellt hat. Anschliessend greift er die Metallröhre mit einer langen Pinzette und hebt sie in das vorhin vorbereitete Gefäss, das bis an den Rand mit Stickstoff befüllt ist.

Andreas arbeitet an der neuen Einfriermaschine. Auf den Metallgittern rechts im Bild kommen die Samendosen dort hinein.
Fertig! Der Samen ist –140° C kalt und wird nun mit Geschick und Spezialwerkzeug umgesetzt.

Es braucht Fingerfertigkeit

«Solche feine Handgriffe mit diesen dünnen Röhrchen brauchen gerade am Anfang ziemlich Übung», erzählt Andreas, der erst seit April in Mülligen tätig ist, «aber diese praktische Arbeit macht mir mega Spass. Ich mag solche Geduldsachen, bei denen man sich konzentrieren muss. Bei meinem vorherigen Job in der Pharma-/Medtech-Industrie habe ich viel am Computer gesessen und die Laborarbeit sehr vermisst. Bei Swissgenetics habe ich eine abwechslungsreiche Mischung. Zusätzlich zur Routinearbeit in der Samenfertigung kalibriere ich zum Beispiel unsere Messgeräte. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter bin ich aber auch in der Chargenfreigabe, der Prozessoptimierung und dem Qualitätsmanagement involviert. Dort werte ich Daten aus.» Andreas kann hierzu seine Erfahrung in der Qualitätssicherung der strikt regulierten Pharmabranche sehr gut nutzen.

Acht Dosen fürs Prüflabor

Ein wichtiger Teil der Qualitätssicherung bei Swissgenetics schliesst sich direkt an das Einfrieren der Samendosen an: Andreas entnimmt dazu aus jedem Metallrohr exakt acht Pailletten und sortiert sie in der Mitte des Stickstoffgefässes in ein mit bunten Plastikröhrchen unterteiltes Kompartiment. Diese Pailletten gehen direkt ins Prüflabor, einem abgedunkelten Raum gegenüber, wo sie aufgetaut und ihre Qualität bestimmt werden. Jede produzierte Charge muss dann eine Mindestbeweglichkeit der Spermien und die richtige Konzentration haben, damit sie für den Verkauf freigegeben werden darf. Eine weitere Dose pro Charge wird zur Identitätskontrolle entnommen. Stimmt der auf dem Samenröhrchen aufgedruckte Stier? «Diese Probe bestätigt uns den korrekten Inhalt der Dosen», erklärt Andreas Ricciardi, «ausserdem entnehmen wir ein paar Stichproben pro Arbeitstag für die Bakteriologie, damit Hygieneprobleme im Samenlabor schnell auffallen würden.»

Akribische Buchführung

Dann sieht er, dass ganz vereinzelt in den Metallröhren die eine oder andere Samenpaillette weniger tief im Stickstoff steckt als der Rest. «Das sind unvollständig befüllte Dosen», erklärt Andreas, «die sind leichter und schwimmen deshalb nach oben. Diese muss ich einzeln herausfischen und den Verlust auf unserer Liste notieren, die ich später ins digitale System übertrage.» Auch hier ist Genauigkeit gefragt, damit am Ende des Tages die Buchführung und die Arbeitsqualität in der Samenfertigung stimmen.